Viva Atommeiler, bei den Nachbarn...

Stellen Sie sich einen riesigen Güterzug mit vielen verschiedenen Waggons vor, der von zwei Lokomotiven gezogen wird und mit hoher Geschwindigkeit an Ihnen vorbeirauscht...

Dieser Beitrag wurde vor einem halben Jahr geschrieben, aber die Äußerungen unseres Wirtschaftsministers zu den Atomkraftwerken in der Ukraine (Quod licet Iovi, non licet bovi) sowie die Schließung der letzten Atomkraftwerke haben mich dazu gebracht, ihn in angepasster Form zu veröffentlichen. Der Artikel wurde als Fortsetzung des Beitrags "Realer Vergleich: Diesel vs. E-Auto" gedacht. 

 

atom-vs-kohle.pngWir sind einzigartig…

Deutschland ist zweifelsohne das einzige Land in der jüngsten Geschichte der Menschheit, das eine Energiequelle (Braunkohle/Steinkohle), die als unbestritten und enorm umweltbelastend gilt, weiternutzen lässt und zugleich eine saubere und wesentlich effizientere Quelle (Atomkraft) abschaltet.

 

 

Pragmatische und rationale Entscheidungen

Wenn ein Blitz ins Nachbarhaus einschlägt und das Haus abbrennt, müssen Sie Ihr Haus abreißen lassen, wenn die Häuser baugleich sind? Würden Sie eine solche sinnlose und unlogische Frage überhaupt beantworten?

Wenn in Japan durch ein Erdbeben eine Tsunami ausgelöst wurde und infolgedessen ein Unfall an einem Atomkraftwerk in Fukushima geschah, müssen dann alle anderen Atomkraftwerke weltweit geschlossen werden? Wie oft kommt es in Deutschland zu einem Erdbeben mit einer Stärke von 9,1 Magnituden? Bis heute noch nie. Aufgrund der geografischen Lage ist es unmöglich. Eine Tsunami wie in Fukushima ist ebenfalls unwahrscheinlich. Außerdem befinden sich die AKWs in Deutschland nicht direkt an der Meeresküste.

Meine IT-Tätigkeit erfordert logisches und rationales Denken. Das Gleiche erwarte ich auch von denjenigen, die ein Land regieren und die Verantwortung für über 80 Millionen Einwohner tragen.

Die Entscheidung, alle AKWs in Deutschland aufgrund eines Unfalls in Japan abzuschalten, kann ich weder mit Logik noch mit Rationalität oder Vernunft erklären. Es war eine politische Entscheidung zugunsten einer Wählergruppe, und zwar einer kleineren Wählergruppe. In meiner Fantasie-Welt sollten Regierungsbeamte zum Wohle aller Bürger des Landes handeln.

Mittlerweile gibt es auch eine politische Entscheidung seitens der EU-Kommission, die zugunsten mehrerer europäischer Staaten ausfällt. Sowohl die Atomkraft als auch das Gas wurden als grüne Energie eingestuft. Wie es scheint, möchten die Mitglieder der EU sowie viele andere Länder auf dem Planeten einen anderen Weg als Deutschland einschlagen.

AKW und deren Abfälle sind gefährlich…

Der Unfall des Tschernobyl-AKWs wird als ewiges Schreckgespenst herangezogen.  Viele Menschen wissen nicht, dass nach dem Unfall von Block 4 im Jahr 1986 zwei weitere Reaktoren noch jahrelang in Betrieb waren. Reaktor 1 wurde erst 1996, also zehn Jahre nach dem Unfall, abgeschaltet, während Reaktor 2 bis 1991, also fünf Jahre nach dem Unfall, in Betrieb blieb.

Meine Frau ist in Kiew geboren. Sie und ihre gesamte Familie verbrachten einen wesentlichen Teil ihres Lebens nicht weit von Tschernobyl entfernt. Das Haus befand sich nur 104 km Luftlinie vom Block 4 entfernt. Ich möchte an dieser Stelle nicht bestreiten, dass der Unfall erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesellschaft und das Vertrauen in die Kernenergie hatte. Aber, glauben Sie nicht, dass der Schaden von Tschernobyl möglicherweise überbewertet wurde? Die Kernkraftwerke in Deutschland waren wesentlich moderner und sicherer als das in Tschernobyl.

Abfälle

Zum Beispiel benötigte der Isar Block 2 pro Jahr etwa 20 Tonnen angereichertes Uran. Von diesen 20 Tonnen könnten etwa 2,5 % (500 kg) als realer Abfall bezeichnet werden. Genau diese Abfälle sollen anschließend gelagert werden. Die abgebrannten Brennelemente werden in speziellen Behältern aufbewahrt, die äußerst sicher und stabil sind.

Quelle: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)

Warum sind chemische Abfälle für Umweltschützer so uninteressant?

Haben sich die Vertreter der Ideologie "Atomkraft? Nein Danke" jemals Gedanken darüber gemacht, wie viele chemische Abfälle jährlich produziert werden und wo und wie diese gelagert werden? Ich habe noch nichts von irgendwelchen Protesten gehört.

Die giftigen und toxischen Chemieabfälle werden unterirdisch abgelagert. Zum Beispiel wurden in Deutschlands größter Untertagedeponie Herfa-Neurode mittlerweile rund 3,2 Millionen Tonnen gefährlicher Abfälle deponiert. Im Gegensatz zu den abgebrannten Brennelementen sind die Chemieabfälle in einer Million Jahren genauso gefährlich wie heute. Übrigens ist die Entsorgung von Chemieabfällen ein äußerst lukratives Geschäft.

Quelle:  K+S Untertage-Deponie Herfa-Neurode

Technischer Fortschritt wird vollkommen ignoriert

Die Forschung im Bereich Kernenergie wird von vielen Akteuren vorangetrieben. Die Reaktoren werden kleiner, sicherer und effizienter. Es wird an extrem kleineren Anlagen geforscht, die so groß wie ein Schiffscontainer sind und dennoch 10-12 MW liefern können. Deutschland verliert durch den Ausstieg aus der Atomenergie einen Platz in einem wichtigen technischen Bereich. Und zwar für immer.

Windkraft

Nach den Plänen der Bundesregierung können wir dank der Windenergie unabhängiger von fossilen Energieträgern werden. Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, sollen etwa 2% der verfügbaren Landflächen Deutschlands (357.581 km²) für den Aufbau von Windrädern ausgewiesen werden, und zwar bis zum Jahr 2032. 2% der Landflächen entsprechen mehr als 7151,6 km². Dabei müssen noch Wasserflächen, Gebirge, Schutzgebiete und bebaute Flächen abgezogen werden.

Hier ist eine kleine Tabelle, um Ihnen eine grobe Vorstellung davon zu geben, was 2% der Landfläche Deutschlands bedeutet: 

 Flächenbezeichnung   Fläche (km²)   Landfläche in % 
 Gesamtfläche Deutschlands   357.581  100
 2% der Landfläche  7.151,6  2
 Wasserflächen   ~8.080  ~2,26
 Gebirge  ~28.000  ~7,83
 Schutzgebiete  ~25.000  ~6,99
 Bebaute Flächen  ~47.555  ~13,3

 

10 größten deutschen Städte nach Fläche:

 Rang  Stadt   Fläche (km²) 
 1  Berlin  891,12
 2  Hamburg  755,22
 3  Köln  405,15
 4  München   310,70
 5  Leipzig  297,80
 6  Dortmund  280,71
 7  Frankfurt am Main   248,31
 8  Düsseldorf  217,41
 9  Essen  210,34
 10  Stuttgart  207,35
   3.824,11

 

auch wenn man das Bundesland Saarland (2570 km²) dazu nimmt, sind wir immer noch unter der geforderten 2%.

Ich bin mir sicher, dass diese Pläne umsetzbar nicht sind, auch wenn alle relevanten Faktoren berücksichtigt werden. Die Erfahrungen mit vielen großen Bauvorhaben (z.B. Flughafen Berlin oder Bahnhof Stuttgart) haben das bereits bewiesen.

Es darf auch ein wichtiger Faktor nicht ignoriert werden, nämlich der regionale Strombedarf ist unterschiedlich. Deswegen sollte die Stromproduktion in den Regionen stattfinden, wo Strom benötigt wird und nicht dort, wo Regularien (passende Partei an der Macht) oder geografische Bedingungen (Offshore) es ermöglichen.

Effizienz der Windkraftenergie

In der Theory und je nach Situation auch in Praktik sind die Windkraftanlagen äußerst effizient. Eine Windkraftanlage in einem Windpark kostet etwa eine Million Euro pro Kilowatt Leistung.

3,5 Millionen kostet Windkraftanlage mit einer Nennleistung von 3,5 Megawatt.  

Wie man sieht, werden die Investitionen (Anschaffung der Turbine, den Transport, die Installation, die Netzanschlusskosten und die Planungs- und Genehmigungskosten) nach drei Jahren amortisiert. Die Betriebs- und Wartungskosten der Anlage sind eher gering.

Es ist zu vermuten, dass die reale Amortisationszeit möglicherweise nicht unter drei Jahren liegt, aber unter besonders günstigen Bedingungen könnte fünf Jahre sicherlich realistisch sein. Somit kann ich sogar behaupten, dass die Windenergie nicht nur eine umweltschonende Technologie ist, sondern auch ein profitables Geschäft.

*Uns ist selbstverständlich bewusst, dass die tatsächliche Leistung einer Windkraftanlage im Durchschnitt meist niedriger ist als die Nennleistung. Für Onshore-Windkraftanlagen liegt der Kapazitätsfaktor typischerweise zwischen 20% und 40%.

“Für deutsche Windanlagen an Land liegen diese Auslastungsstunden zwischen etwa 1.800 in Bayern und 3.000 Stunden im Jahr an der Nordseeküste.“

Quelle: Rentabilität bei Windkraftanlagen steigt

Wenn man alle 2043 Windräder installiert, kommt man auf die beträchtliche Summe von circa 2 Milliarden. Ich nehme an, dass ein Atomreaktor aber mehr kostet.

Können wir die Kosten vergleichen? Nein, und zwar aus folgenden Gründen: man zahlt für Hochverfügbarkeit. Viele von uns (oder schon alle?) nutzen täglich Cloud-Dienste und erwarten dabei eine Verfügbarkeit von 99,999% (Five Nines) und sind bereit, dafür wessentlich mehr zu zahlen. Wir erwarten, dass unsere Dienste und Informationen immer und vollumfänglich verfügbar sind. Sollte es bei der Energieversorgung anders sein? Auch die Feuerwehr kostet Geld, aber sie kommt, wenn wir sie benötigen. 

Windenergie, immer noch keine Begeisterung…

Wie Sie erkennen können, stehe ich der erneuerbaren Energie grundsätzlich wohlwollend gegenüber.

Aber durch meine langjährige Tätigkeit in der IT-Branche kommen mir in allen technischen Bereichen Begriffe wie Redundanz, Kosteneffizienz und Hochverfügbarkeit in den Sinn.

Eine Energiequelle, die unter einer einzigen Bedingung - nämlich, wenn der Wind weht - Strom liefert, bereitet eine Reihe von Problemen. Diese Energiequelle ist nicht hochverfügbar, da sie nicht konstant die erwartete Leistung liefern kann. Im Umkehrschluss muss sie durch eine andere Energiequelle abgesichert werden (in IT-Sprache "redundant ausgelegt sein").

Hier ist ein fiktives Beispiel: Wenn ein Betrieb (z.B. ein Rechenzentrum, das lokale Krankenhäuser versorgt) eine unterbrechungsfreie Stromversorgung in Höhe von 3 MWh benötigt, dann müssen diese Strommengen immer geliefert werden, unabhängig davon, wie wohlwollend der Windgott gerade ist.

Wenn die Windkraftanlage nichts liefert, muss automatisch, ohne jegliche Zeitverzögerung auf eine andere Energiequelle umgestellt werden. Das bedeutet, dass zu jeder 3 MWh-Windkraftanlage eine andere 3 MWh-Energiequelle benötigt wird, die bei "schlechten" Wetterbedingungen die Windkraftanlage vollständig ersetzt. Diese andere Energiequelle hat kaum Zeit zum Starten oder "warm" zu werden.

Die Herausforderung ist theoretisch lösbar, wenn alle Windkraftanlagen über ein großes geografisches Gebiet miteinander zu verbinden (irgendwo weht der Wind immer), sodass immer eine Region für die andere einspringt, um die Schwankungen in der Energieerzeugung auszugleichen. Aber was passiert, wenn auch in den anderen Regionen ein akuter Bedarf entsteht?

Es gibt noch einen Punkt, der ebenfalls erwähnenswert ist, nämlich die Strom-Überproduktion. Wenn die Wetterbedingungen zu "optimal" sind, liefert ein Windrad mehr Strom als die Abnehmer benötigen oder schaltet sich sogar ab. In solchen Fällen können die Überkapazitäten zu negativen Preisen verkauft werden, wenn niemand sie benötigt, oder sie müssen gespeichert werden.

Nach meiner Recherche gibt es Stand heute keine kosteneffiziente Technologie, die es ermöglicht, die Überkapazitäten effizient zu speichern, sei es Batteriespeicher oder Pumpspeicherkraftwerke. In unserem Beispiel muss die Speicheranlage den Stillstand solange überbrücken, wie es benötigt wird. 

AKW-Reaktor vs. Windkraftanlage

akw vs wind

Vergleichen Sie die Leistung eines AKW-Reaktors (z.B. Reaktor des AKWs Isar 2, 1.410 MW Nettoleistung) mit einer sehr verbreiteten Windkraftanlage von Vestas (V136-3.45 MW). Bei der Berechnung gehen wir von einem Kapazitätsfaktor von 20% aus. Die Fläche des Kernkraftwerks Isar beträgt ca. 1 Quadratkilometer.

Die Anzahl der benötigten Windkraftanlagen, um die Leistung des AKW-Reaktors zu ersetzen, ist:

2043 Windkraftanlage benötigt man, um einen AKW-Reaktor ersetzen zu können!

Wie groß ist der Flächenbedarf, um 2043 Windkraftanlagen aufzustellen?

Etwa 561,82 Quadratkilometer

Können Sie sich vorstellen, wie viele Materialien (Bewehrungsstahl, Beton, Aluminium, Kupfer, Kunststoffe) verwendet werden müssen, um 2.043 Anlagen von Vestas (V136-3.45) zu produzieren und aufzustellen?

In diesem Fall geht es um mehr als drei Millionen Kubikmeter Beton für das Fundament, hunderttausende Tonnen Bewehrungsstahl und Stahl für den Turm und die Gondeln, tausende Tonnen Aluminium und Kupfer sowie zehntausende Tonnen Kunststoffe. Rechnen Sie dazu auch tausende Tonnen an Materialien, um alle diese Anlagen in kleinere Gruppen (Windparks) zusammenzufügen und anschließend miteinander zu verbinden. Rechnen Sie dazu auch den CO2-Ausstoß und den Dieselverbrauch für die Herstellung, den Transport und die Installation von Windkraftanlagen.

Auf der Website des Herstellers (z.B. Vestas) kann man vergeblich nachsehen, wie viele Materialien für die Herstellung eines Windrads verwendet werden. Es stellt sich die Frage, warum die Menge der für die Herstellung des Rades benötigten Materialien verschwiegen wird und in welchen Regionen sie hergestellt werden.

Bitte denken Sie daran, dass die AKWs bereits existierten und nicht neu gebaut wurden.

Wie kann es dazu kommen, dass die Kernenergie in anderen Ländern eine Renaissance erlebt? Sind die anderen so „dumm“ und kurzsichtig?

 

Fazit

Ein Land, das sich weiterhin als führende Industrienation bezeichnen möchte, benötigt eine stabile Energieversorgung, und zwar 24/7. Übrigens, kann sich ein Land als Industrienation bezeichnen, wenn ein Großteil des Energiebedarfs durch die Verbrennung von fossilen Rohstoffen gedeckt wird?

Der Anteil Deutschlands an den weltweiten CO2-Emissionen liegt bei etwa 2%. Im globalen Vergleich ist das ein sehr kleiner Anteil, insbesondere im Vergleich zu Ländern wie China, den USA und Indien.

Wenn Deutschland alle seine Betriebe stilllegen würde, würde es kaum jemand bemerken. Außerdem würden die Produktionsbetriebe nicht verschwinden, sondern stattdessen in Ländern wie Indien oder China aufgebaut werden. Übrigens ist die Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder durch die Beschaffung von Öl und Gas aus Russland zu Spotpreisen bereits gestiegen.

Erneuerbare Energieträger sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage, eine durchgehend garantierte Stromversorgung zu gewährleisten. Kein Unternehmen wird in einem Land investieren, wenn die Basisversorgung nicht gesichert ist. Wenn eigene Unternehmen, wie z.B. BASF, mehr im Ausland als in Deutschland investieren, dann ist das keine gute Werbung für den Standort Deutschland. Wenn energieintensive Branchen auswandern würden, dann würde dies auch angrenzende Bereiche mit sich ziehen.

Das Qualitätssiegel "Made in Germany" ist ein Produkt der stabilen Energieversorgung und des Talents und der Tüchtigkeit der Ingenieure in diesem Land über Jahrhunderte hinweg, und keinesfalls eine Errungenschaft der "ewigen" Germanistik-, Rechtswissenschaft- und Soziologiestudenten.

Vergessen Sie nicht: der starke industrielle Hintergrund eines Landes lässt sich wesentlich schneller zerstören als aufbauen.

 

Erinnern Sie sich noch an den riesigen Güterzug, der an Ihnen vorbeirauschte? Der Führerstand der Lokomotive ist leer, der Lokführer und sein Assistent sind im Ruhestand, sie waren "alte weiße Männer". Und niemand hat ihren Arbeitsplatz übernommen...  Solche Arbeit macht kein Spaß und mit „Work-Life-Balance“ ebenfalls nicht kompatible…

Der Treibstoff geht zur Neige, einige Zugteile werden abgekoppelt, und die abgekoppelten Wagen werden von anderen Lokomotiven weggezogen.  Aber dieser Zug wird aufgrund seiner Trägheit noch lange Zeit auf den Schienen rollen, bis er zum Stillstand kommt. 

Dieser Zug ist in meinen Augen Deutschland.

 

 


Technische Daten zu Vestas V136-3.45 MW

Link 01, Link 02

Rund 10 Prozent Beton und Stahl durch neues Fundamentdesign einsparen

1600 Tonnen Beton für eine Windenergieanlage